Paraschat Schoftim
25./26. August 2017
4. Elul 5777
Dewarim 16:18 – 21:9
Haftara: Jeschajahu 51:12 – 52:12
Die Parascha in Kürze
• Unbestechliches Gerichtssystem
• Austilgung von Götzendienst
• Gesetze über einen jüdischen König
• Gesetze über Krieger und Kriegsführung
• Gesetze über ungeklärten Mordfall
Konzept der Woche
שֹׁפְטִים וְשֹׁטְרִים תִּתֶּן־לְךָ בְּכָל־שְׁעָרֶיךָ אֲשֶׁר ה‘ אֱלֹקֶיךָ נֹתֵן לְךָ לִשְׁבָטֶיךָ וְשָׁפְטוּ אֶת־הָעָם מִשְׁפַּט־צֶדֶק:
„Richter und Ausführungsbeamte bestellst du dir in all deinen Toren, die Haschem, dein G-tt, dir für deine Stämme gibt, dass sie das Volk nach Rechtsspruch des Rechts richten.“ (16:18)
Die einfache Bedeutung dieses Verses ist, dass das jüdische Volk nach Einzug in Eretz Jisrael Gerichte in jeder Stadt einsetzen sollen. Dort sollen nicht nur Richter über Gerichtsfälle entscheiden, sondern es sollen auch Beamte eingesetzt werden, die die Fähigkeit und die Befugnis besitzen, die Urteile auszuführen.
Das Wort לְךָ – für dich – eröffnet uns noch eine andere Ebene. Jedes Wort in der Tora hat eine tiefe Bedeutung, auch wenn es uns auf Anhieb überflüssig erscheint. Ohr HaChaim (Rav Chaim ibn Attar, 1696-1743) erklärt, dass dieses Wort eine Warnung an diejenigen enthält, die meinen, sie stünden über dem Gesetz, weil sie in der Position sind, Richter und Ausführungsbeamte zu ernennen. Wir müssen uns alle gleichermaßen dem Gesetz der Tora unterwerfen und damit sagt uns der Vers, dass wir Richter und Beamte sogar über uns selbst bestimmen müssen.
Wir finden noch eine weitere Bedeutung des Wortes לְךָ an anderen Stellen in der Tora, wo es „zu deinem eigenen Nutzen“ bedeuten kann. Die Bestellung von Richtern und Ausführungsbeamten ist eine große Gabe sowohl für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft. Das Individuum wird in einem korrekten Lebenswandel geleitet, sei es in halachischen Fragen oder in anständigem Verhalten. Für eine funktionierende Gesellschaft ist es unabdinglich, dass ihre Mitglieder die Regeln beachten und so ein Ganzes entsteht. In Vers 3:2 in Pirkej Awot (Sprüche der Väter) heißt es daher הֱוֵי מִתְפַּלֵּל בִּשְׁלוֹמָהּ שֶׁל מַלְכוּת, שֶׁאִלְמָלֵא מוֹרָאָהּ אִישׁ אֶת רֵעֵהוּ חַיִּים בָּלָעוּ – bete für das Wohl der Regierung; denn wäre nicht Furcht vor ihr, sie würde einer den anderen lebend verschlingen. Eine intakte und integre Gerichtsbarkeit gehört zu den Grundlagen einer gerechten Gesellschaft und ihre Abwesenheit würde zu Anarchie führen.
Des Weiteren kann man das Wort לְךָ als Aufforderung sehen, über sich selbst zu richten. Rav Mosche Feinstein (1895-1986) erklärt in diesem Sinne, dass dies zusätzlich zur Einrichtung eines jüdischen Gerichtssystems auch meint, jeder Jude solle ständig sein eigener Richter sein und sich fragen, ob er richtig handelt. Aber nicht nur Richter, sondern auch sein eigener Ausführungsbeamter soll er sein und sicherstellen, dass er selbst richtig handelt. Warum befiehlt uns die Tora, Richter über uns selbst zu sein? Passt man nicht sowieso auf, immer das Richtige zu tun?
Wenn man wirklich ehrlich sich selbst gegenüber ist, sieht man, dass man meistens eine Entschuldigung oder Erklärung parat hat, um ein gewisses Benehmen für sich selbst zu entschuldigen. Man legt andere Kriterien an sich als an andere an, weil man sich selbst besser kennt und seine eigenen Beweggründe, Gedanken, Wünsche und Wertvorstellungen in sein Urteil einfließen lässt. Aber so wie ein Richter im öffentlichen Gericht unabhängig und unbeeinflussbar sein muss, muss man versuchen, sich selbst gegenüber ehrlich und unbeeinflusst zu sein und Ausreden nicht zuzulassen. Wir sollen uns von reinen Motiven leiten lassen.
In diesen ersten Tagen des Monats Elul sind diese Mussar-Gedanken von besonderer Bedeutung. In Vorbereitung auf Rosch Haschana bemühen wir uns darum, Teschuwa zu tun. Viele Aspekte gehören zu dem Prozess von Teschuwa, aber Ehrlichkeit sich selbst gegenüber ist dabei unabdingbar.
Frage der Woche: Welche Regel wird für Richter von den Wortenוְשָׁפְטוּ אֶת־הָעָם מִשְׁפַּט־צֶדֶק abgeleitet? Antwort, s.G.w., im nächsten Daf.
Antwort auf die zuletzt gestellte Frage: Was will uns die Tora damit lehren, wenn sie in Vers 14:1 sagt, dass wir Haschems Kinder sind? Baal HaTurim (Rav Jakow ben Ascher, 1269-1343) erklärt, dass, wenn wir Erbarmen mit anderen haben, Haschem Erbarmen mit uns haben wird, so wie ein Vater mit seinem Sohn.
Biographie der Woche
Rabbi Jom Tow Lippmann Heller
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Tosafot Jom-Tow
Jahrzeit 6. Elul
Rav Yom Tov Lippmann Heller wurde 1579 im bayerischen Wallerstein geboren. Früh verwaist wurde er von seinem Großvater aufgezogen und lernte als Junge zunächst in der Friedberger Jeschiwa von Rav Jakow Günzburg (gest. 1616) und dann beim Maharal von Prag (Rav Juda Löw, 1520-1609). Mit knapp achtzehn Jahren wurde er vom Maharal zum Rabbiner ordiniert und fungierte sodann als Dajan in Prag.
Zwischen 1614 und 1617 veröffentlichte Rav Heller seinen Kommentar zur Mischna Tosafot Jom Tow, der noch heute zu den wichtigsten Mischna-Kommentaren gehört. 1624 war er sechs Monate lang Rabbiner von Nikolsburg in Mähren und wurde im März 1625 Rabbiner in Wien, wo er den dortigen Juden erhebliche Rechte erstritt.
1627 bis 1629 amtierte er als Rabbiner von Prag. Dort folgte innerjüdischen Streitigkeiten über Steuererhebungen seine Inhaftnahme durch die habsburgischen Behörden und seine Inhaftierung in Wien. Er wurde antichristlicher Aussagen angeklagt und schließlich durch den Hofjuden Jakob Bassevi (1570-1634) unter der Bedingung freigekauft, die Habsburger Lande zu verlassen.
Den Rest seines Lebens verbracht Rav Heller in Polen: 1631 wurde er Rabbiner von Nemirov und 1634 in Ludmir, beides heute in der Ukraine gelegen. Er wurde eine einflussreiche Kraft im Va’ad Arba Aratzos und 1643 zum Aw Bet Din von Krakau gewählt. In seinen letzten Lebensjahren füllte er auch die Position des Oberrabbiners von Krakau aus. Er starb 1654 in Krakau und ist in der Sektion für arme, unbedeutende Leute auf dem jüdischen Friedhof beerdigt.
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