Paraschat Re’eh
Schabbat Rosch Chodesch
10./11. August 2018
30. Aw 5777
Dewarim 11:26 – 16:17
Haftara: Jeschaja 66:1 – 24
Hier können SIe sich das Daf als pdf herunterladen: Daf Re’eh 5778
Die Parascha in Kürze
• Das Volk soll nach dem Einzug nach Eretz Jisrael jeglichen Götzendienst aus dem Land tilgen
• Warnung vor falschen Propheten
• Auflistung der koscheren Tiere
• Ma’aser-Abgaben, Schmitta-Jahr und Umgang mit einem jüdischen Knecht
• Die drei Wallfahrtsfeste
Konzept der Woche
בָּנִים אַתֶּם לַה‘ אֱלֹֽקֵיכֶם לֹא תִתְגֹּֽדְדוּ וְלֹֽא־תָשִׂימוּ קָרְחָה בֵּין עֵֽינֵיכֶם לָמֵֽת: כִּי עַם קָדוֹשׁ אַתָּה לַה‘ אֱלֹקֶיךָ וּבְךָ בָּחַר ה‘ לִהְיוֹת לוֹ לְעַם סְגֻלָּה מִכֹּל הָֽעַמִּים אֲשֶׁר עַל־פְּנֵי הָֽאֲדָמָֽה:
„Kinder seid ihr Haschem, eurem G-tt: zerschneidet euch nicht und bringt keine Glatzstelle an zwischen euren Augen um einen Toten. Denn eine heilige Nation bist du Haschem, deinem G-tt, und dich hat Haschem erwählt, ihm zu einer ausschließlich ihm gehörenden Nation zu werden aus allen Nationen, die sich auf dem Erdboden befinden.“ (14:1-2)
Viele Mefarschim (Tora-Kommentatoren) erklären, dassבָּנִים אַתֶּם – Kinder seid ihr – das Verbot vonלֹא תִתְגֹּֽדְדוּ – zerschneidet euch nicht – einführt, d.h. dass man sich nicht aus Trauer über den Tod eines nahen Verwandten mutwillig in seinen Körper einschneiden soll. Die Worteכִּי עַם קָדוֹשׁ אַתָּה – denn eine heilige Nation bist du – ist dann eine ausführlichere Erklärung des Grundes, die direkt mit dem Verständnis vonבָּנִים אַתֶּם zu tun hat.
In diesem Sinne erklärt Ibn Esra (Rav Awraham ibn Esra, 1089-1167), dass wir alle Kinder von Haschem sind, der uns mehr liebt als ein gewöhnlicher Vater sein Kind liebt. Es ist daher nicht passend, sich als Zeichen der Trauer über etwas, das Haschem verfügt hat, in sein Fleisch einzuschneiden, denn alles, was Haschem tut, ist zum Guten. Selbst wenn man nicht nachvollziehen kann, warum Haschem so entschieden hat, muss man sich dennoch auf Sein Urteil stützen, so wie ein Kind seinem Vater vertraut. Die Tora geht jedoch nach dem Aussprechen des Verbots im nächsten Vers weiter und sagt: „Denn eine heilige Nation bist du“ – wie keine andere Nation. Du sollst daher auch nicht auf den Wegen anderer Nationen wandeln (die solche Trauerbräuche praktizierten).
Rabbenu Bachya (Rav Bachya ben Ascher, 1255-1340) versteht die Worte בָּנִים אַתֶּם, dass wir die Kinder eines Vaters sind, der uns das wunderbare Erbe der kommenden Welt nach dem irdischen Leben in Aussicht stellt. Die götzendienenden Nationen allerdings beziehen sich nur auf diese Welt und für sie ist mit dem Tod alles zu Ende. Weil das jüdische Volk aber eine heilige Nation ist, die fest mit Haschem verbunden ist, ist uns עוֹלָם הַבָּא – die kommende Welt – versprochen. Daher dürfen wir auf Tod nicht so reagieren wie andere Nationen.
Eine weitere Interpretation präsentiert Alschich (Rav Mosche Alschich, 1508-1593), indem er sagt, dassבָּנִים אַתֶּם ein Versprechen gegenüber jedem einzelnen Juden bedeutet, dass er als Individuum von Haschem betrachtet wird und nicht nur als Teil der Nation. Man soll nicht fürchten, dass ein geliebter Verstorbener nach seinem Tod als unbedeutend von Haschem betrachtet wird, denn so wie ein Vater jedes Kind, auch in einer großen Familie, mit besonderer Sorge bedenkt, wird auch der Verstorbene die Gnade Haschems erfahren, wenn seine Seele zu G-tt zurückkehrt. Denn das Volk ist nicht nurעַם קָדוֹשׁ – eine heilige Nation, sondern der Vers sagt weiterוּבְךָ בָּחַר ה‘ – und dich hat Haschem erwählt – was bedeutet, dass Haschem dich persönlich ausgewählt hat, ein Mitglied des עַם סְגֻלָּה – der besonderen Nation zu sein.
Sforno (Rav Ovadia Sforno, 1475-1550) betrachtetבָּנִים אַתֶּם undכִּי עַם קָדוֹשׁ אַתָּה als zwei separate Gründe für zwei verschiedene Aspekte der Trauer. ‚Kinder seid ihr Haschem‘ zeigt laut Sforno den Aspekt des persönlichen Trauerns. Es wäre unehrenhaft für jemanden, einen so extremen Ausdruck der Trauer zu zeigen, wenn sein eigentlicher Vater, der Vater im Himmel, immer noch bei ihm ist. Was die Sorge um den Verstorbenen betrifft, soll man keine Furcht empfinden, ‚denn eine heilige Nation bist du‘, und der Verstorbene wird gut versorgt werden.
Für uns moderne Menschen liegt der Gedanke ziemlich fern, aus extremer Trauer solche drastischen Maßnahmen an seinem Körper durchzuführen. Wir sehen aber erneut, dass wir zu keinen Zeiten den Bräuchen anderer Völker folgen sollen, wenn sie den Geboten der Tora widersprechen. Wir sollen uns aber immer gewiss sein, dass Haschem in allen Lebenslagen, und auch danach, für uns da ist und nur das Beste für uns will.
Frage der Woche: Was ist eine weitere Verbindung zwischen der Feststellung der Tora, dass wir Haschems Kinder sind und dem Verbot des übermäßigen Trauerns? Antwort, s.G.w., im nächsten Daf.
Antwort auf die zuletzt gestellte Frage: Was sind Beispiele von scheinbar „insignifikanten“ Mitzwot, deren Beachtung großen Lohn verdient? Maharik (Rav Josef Colon Trabotto, ca. 1420-1480) nennt als Beispiele das Freuen an Feiertagen und das Sprechen in Laschon Kodesch (Hebräisch).
Biographie der Woche
Rabbi Schmuel Salant
Jahrzeit 29. Aw
Rav Schmuel Salant wurde 1816 in Bialystok geboren. Er lernte im litauischen Salant und heiratete dort eine Tochter von Rav Zundel von Salant (1786-1866).
Zunächst lehrte er nach seiner Heirat an der Volozhin Jeschiwa, aber folgte seinem Schwiegervater 1840 nach Eretz Jisrael. Der Anstieg des aschkenasischen Bevölkerungsteils in Jerusalem durch die Einwanderung der Schüler des Vilna Gaon erforderte die Berufung eines aschkenasischen Oberrabbiners von Jerusalem. Diese Rolle übernahm Rav Schmuel Salant im Jahr 1871, nachdem er seit seiner Alijah unermüdlich für die Belange seiner Gemeinde gearbeitet und u.a. in Europa Geld gesammelt hatte.
Mit seinem Schwiegervater gründete er die wohltätige Organisation Rabbi Meir Baal Hanes Salant, die armen und bedürftigen Juden Jerusalems bis heute finanziell beisteht.
Rav Schmuel Salant starb 1909 in Jerusalem.
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