Irgendwann nach dem 11. Jahrhundert wurde Schmini Atzeret auch als Simchat Tora bekannt, das Torafreudenfest. In der Diaspora hat nur der zweite Tag von Schmini Atzeret diesen Namen.
Obwohl der Name in der talmudischen Zeit unbekannt war, wurde doch festgesetzt, an diesem Tag den letzten Abschnitt der Tora, Deuteronomium 33-34 zu lesen. Aus dieser Praxis erwuchs langsam eine neue Tradition eines Freudenfestes, das das Ende eines Torazyklus charakterisiert.
Die Basis dieser Feierlichkeiten findet sich im Midrasch, der beschreibt, wie Salomon ein Fest feierte, nachdem ihm seine Weisheit verliehen wurde.
Rabbi Eleazar sagte:
„Daher leiten wir ab, eine Feier zu veranstalten, um den Abschluß der Tora zu kennzeichnen, denn Gott sagte zu Salomon: ‚Ich gab dir ein weises und verständiges Herz wie niemandem vor oder nach dir.‘ Er gab sofort ein Fest für alle seine Diener, um dieses Ereignis zu feiern. So ist es nur passend, zu feiern, wenn die Toralesungen abgeschlossen werden.“
Entwicklung
Die Tradition des Feierns zu Ehren des Abschlusses der Toralesung entstand im neunten und zehnten Jahrhundert, zur Zeit der Geonim. Der Name Simchat Tora wurde erst später gebräuchlich.
Der Brauch des Lesens des letzten Kapitels der Tora wurde im Talmud festgesetzt, aber die folgende Lesung des ersten Kapitels aus Genesis wurde erst nach dem 12. Jahrhundert eingeführt. Die Gründe dieser zusätzlichen Lesung waren:
- um zu zeigen: „So wie wir ausgezeichnet wurden, Zeuge ihres Abschlusses zu sein, so seien wir auch Zeugen ihres Beginnes“.
- um Satan davon abzuhalten, Israel zu beschuldigen, es freue sich, die Tora fertig gelesen zu haben, kümmere sich aber nicht, sie von neuem zu beginnen.
Ursprünglich war es Brauch, daß derselbe, der den Schluß von Deuteronomium las, Bereschit aus dem Gedächtnis rezitierte, um zu vermeiden, „zwei Torarollen für einen Vorleser“ herauszunehmen.
Danach entwickelte sich der Brauch, zwei verschiedene Personen aufzurufen, eine für den Schluß und eine für den Anfang. So konnten auch zwei Rollen benutzt werden.
Die Ehre
Jede dieser Alijot (Aufrufe zur Tora) werden als große Ehre betrachtet.
Die auf diese Weise Ausgezeichneten werden „Chatanim“ – „Bräutigame (des Gesetzes)“ – genannt. Derjenige, der für den Schluß von Deuteronomium aufgerufen wird, heißt „Chatan Tora“ – „Bräutigam der Tora“. Der zweite wird „Chatan Bereschit“ – Bräutigam der Genesis“ – genannt.
Von beiden wird erwartet, daß sie ein festliches Mahl spenden.
Hakkafot
Das am meisten mit Simchat Tora verbundene Zeremoniell sind die Hakkafot, rituelle Prozessionen.
Zu Simchat Tora werden alle Torarollen aus dem Schrein genommen und in sieben Umkreisungen um die Bima getragen. Dies findet während des Abendgottesdienstes statt, aber auch vor den Lesungen am Morgen.
Chassidische Tradition ist es, diese Prozession auch am Vorabend von Schmini Atzeret durchzuführen, wie es in Israel der Fall ist.
Ursprung
Obwohl der Brauch der Hakkafot zu Simchat Tora erst im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts in Safed entstand, geht die Praxis der Hakkafot viel weiter zurück.
Prozessionen werden bereits in der Bibel erwähnt, zum Beispiel bei der Eroberung von Jericho durch Josua. Jericho wurde sieben Mal umkreist, sechs Tage lang einmal, am siebenten Tag sieben Mal.
Der Lulaw wurde zu Sukkot um den Altar im Tempel getragen. Von daher stammt die Tradition der Umzüge mit Lulaw und Etrog in der Synagoge.
Auch bei traditionellen Hochzeitsfeiern ist der Brauch der Hakkafot vorhanden. Am Beginn der Zeremonie umkreist die Braut den Bräutigam sieben Mal.
Singen und Tanzen
Zusätzlich vereint sich die Gemeinde im Gesang, der vor allem aus Bibelversen und Gebeten besteht.
In vielen Synagogen ist es üblich, einen Kreis zu bilden und gemeinsam zu tanzen. Auch jene, die eine Torarolle tragen, beteiligen sich.
Dieses Singen und Tanzen kann viele Stunden dauern und wird oft auch auf die Straße ausgeweitet. Wirbelnde Körper, stampfende Füsse und akrobatische Darbietungen bieten eine freudige Szene.
Kleine Kinder tragen Fähnchen oder Miniaturrollen und folgen so der Prozession.
Kindersegen
Da sich so viele Kinder an der Prozession beteiligen, wurde es auch Brauch, sie in die folgende Toralesung einzubeziehen.
Obwohl ein Kind unter dreizehn Jahren nicht zur Tora aufgerufen wird, hat sich zu Simchat Tora die Tradition des „Kol HaNe’arim“ – „alle Kinder“ – entwickelt. Alle Kinder einer Gemeinde werden gemeinsam zur Tora aufgerufen, sie erhalten eine gemeinsame Alijah.
Über die Gruppe wird ein Tallit gebreitet, der Segen, geleitet von einem Erwachsenen, wird gesprochen.
Am Schluß der Lesung rezitiert die Gemeinde Jakobs Segen für Ephraim und Menasse, als speziellen Segen für die Kinder:
Simchat Tora in Israel
In Jerusalem ist es am Morgen von Simchat Tora Brauch, gemeinsam in einer Prozession, singend und tanzend zur Westmauer zu ziehen.
Die Torarollen werden unter einem Baldachin getragen. Der ursprüngliche Brauch der Hakkafot am Ende von Simchat Tora inspirierte Israel, die Simacht Tora feiern bis in die Nacht nach dem Fest auszudehnen.
Auch die Regierungsmitglieder und die beiden Oberrabbiner beteiligen sich. Die verschiedenen jüdischen Gemeinden zeigen ihre verschiedenen Bräuche: Chassidim, Jemeniten, Juden aus Buchara, Sabras sind für die Prozessionen verantwortlich, die oft in der Nationaltracht und mit den traditionellen Melodien ausgeführt werden.
Einst war Simchat Tora auch der Augenblick der Identifikation mit den Juden der Sowjetunion, die in Moskau, Leningrad oder anderen Städten ihre Feiern abhielten.
Auch an den israelischen Armeestützpunkten finden Hakkafot statt. Sogar Soldaten an den Frontlinien nahmen teil. Im Jom Kippur Krieg, der bis nach Sukkot dauerte, filmten Fernsehteams Szenen mit dem israelischen Oberrabbiner Schlomo Goren, der Stützpunkte besuchte. Er brachte eine kleine Torarolle mit sich und die Männer schlossen sich singend und tanzend der Prozession an.