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Zsolt Balla gehört zu den ersten beiden orthodoxen Rabbinern, die in der Bundesrepublik ausgebildet wurden – dabe wäre es beinahe ganz anders gekommen
Kein Geringerer als Wolfgang Schäuble hielt eine Rede zur Ordination von Zsolt Balla. Und der damalige Innenminister geizte nicht mit großen Worten. Schäuble nannte die Ordination ein „historisches und theologisches Ereignis, das weit über die Grenzen Deutschlands und des Judentums“ hinaus wirken würde.
Ballas Ordination, gemeinsam mit der von Avraham Radbil, war in der Tat ein Meilenstein in der Geschichte des Judentums in Deutschland – es war die erste Ordination orthodoxer Rabbiner seit 1938. Der Einunddreißigjährige ist trotzdem bescheiden: „Ich selbst fühle mich nicht als etwas Besonderes, aber ich weiß, dass es für Deutschland etwas Besonderes ist.“ Dass es hier wieder eine orthodoxe Rabbinerausbildung gebe, sei äußerst wichtig für die Kontinuität der jüdischen Tradition in der Bundesrepublik.
Dass Balla als Rabbiner einmal Geschichte schreiben würde, war in den jungen Jahren seines Lebens noch völlig undenkbar. Seine aus Budapest stammende Familie hatte mit dem Judentum kaum noch etwas gemein, Zsolt wuchs zunächst völlig unreligiös auf. Doch dem kleinen Jungen war die Realität im real existierenden Sozialismus zu langweilig und trostlos – er hatte schon immer ein großes Faible für Bücher. Und besonders interessierten ihn die Geschichten aus der Bibel.
Als die Kirchen während des Zusammenbruchs des sozialistischen Systems mutiger wurden und ihre Tore immer weiter öffneten, wollte sich der damals gerade einmal neun Jahre alte Zsolt einer christlichen Gemeinde anschließen. Sozusagen in letzter Minute schritt die Mutter ein. „Da hat meine Mutter zu mir gesagt: ‚Zsolt, wir müssen reden'“, erinnert er sich. Erst dann erfuhr er, dass er in Wirklichkeit ein jüdisches Kind ist. Statt in die Kirche ging der Junge von da an in die Synagoge.
Trotzdem schlug er nach dem Schulabschluss zunächst eine andere Laufbahn ein: Er studierte Wirtschaftsingenieurwesen. In seinen letzten Studienjahren wuchs sein Interesse am Judentum allerdings immer mehr; ihm fehlte einfach die Spiritualität. Mit seinem Abschluss in der Tasche beschloss er deswegen, zunächst eine Pause einzulegen und meldete sich in der Berliner Jeschiwa „Beis Zion“ an. „Dort gefiel es mir so gut, dass ich einfach noch ein Jahr drangehängt habe, und dann noch eins.“
An die Zeit erinnert er sich immer noch gerne: Von früh morgens bis abends um zehn lernte und diskutierte er mit seinen Mitschülern: „Man lernt nicht einfach nur auswendig, sondern man lernt, wie man sich den alten hebräischen Texten nähert und sie entschlüsselt.“ Außerdem wurde ihm klar, dass das Judentum auch in der modernen Welt eine überaus große Relevanz hat. „Es ist kein Museumsstück, das man sich in einer Vitrine anguckt.“ Diese Botschaft versucht er nun seit September 2010 seinen Gemeindemitgliedern in Leipzig zu vermitteln, Davor hat er dort bereits als „Wochenendrabbiner“ gearbeitet.
Noch ist er dabei, sich einzuleben. „Ich habe noch nicht mit allen Gemeindemitgliedern persönlich gesprochen, aber ich habe es vor.“ Ein wichtiges, aber auch zeitraubendes Ziel, denn die Leipziger Gemeinde hat mittlerweile weit über 1.000 Mitglieder. Da bleibt kaum noch Zeit für sein liebstes Hobby: In seiner Freizeit spielt Balla nämlich Bassgitarre. Gemeinsam mit ehemaligen Gefährten aus der Jeschiwa hat er eine Band mit dem Namen „The Holy Smokes“ gegründet. Die musikalisch begabten Talmud-Kundigen spielen auf Hochzeiten und anderen jüdischen Festen. Der sonst feinfühlige Balla lässt es hier auch mal ordentlich krachen: Ein Kritiker schrieb über ihn, er würde in der Band „den musikalisch härteren Part verkörpern.“ Ein schlechterer Rabbiner ist er deswegen keineswegs.