Paraschat Bo
31. Januar/1. Februar 2020
6. Schwat 5780
Hier können Sie sich das DAF als pdf herunterladen: Daf Bo 5780
Schmot 10:1 – 13:16
Haftara: Jirmijahu 46:13–28
Die Parascha in Kürze
• G-tt breitet die letzten drei der zehn Plagen über Ägypten aus: Heuschreckenschwärme, Dunkelheit und Tod der Erstgeborenen
• Die erste Mitzwa an die Nation: Rosch Chodesch – die Grundlage des jüdischen Kalenders
• Die Mitzwa des Pessach-Opfers, das zusammen mit Matza und Maror in der Nacht des 15. Nissan gegessen wird
• In großer Hast wird das jüdische Volk von Pharao zum Aufbruch getrieben und es verlässt Ägypten mit allem Vieh und Hab und Gut
• Die Mitzwa von Tefillin wird gegeben und die Auslösung aller Erstgeborenen (Mensch und Vieh) beschrieben
Konzept der Woche
וּלְקַחְתֶּם אֲגֻדַּת אֵזוֹב וּטְבַלְתֶּם בַּדָּם אֲשֶׁר־בַּסַּף וְהִגַּעְתֶּם אֶל־הַמַּשְׁקוֹף וְאֶל־שְׁתֵּי הַמְּזוּזֹת מִן־הַדָּם אֲשֶׁר בַּסָּף וְאַתֶּם לֹא תֵֽצְאוּ אִישׁ מִפֶּֽתַח־בֵּיתוֹ עַד־בֹּֽקֶר:
„Nehmt ein Bündel Ysop, taucht es in das Blut, das im Becken ist, und bestreicht von dem Blut, das in dem Becken ist, die Oberschwelle und die beiden Pfosten; ihr aber, keiner gehe aus der Tür seines Hauses, bis es Morgen wird.“ (12:22)
Raschi erklärt zum zweiten Teil des Verses: ‚Ihr aber verlasset nicht – das lehrt, dass, wenn dem Zerstörer die Erlaubnis gegeben, zu verderben, er nicht mehr zwischen dem Gerechten und dem Bösen unterscheidet; und die Nacht ist das Recht der Zerstörer.‘ Mit dem Zerstörer ist der מַלְאָךְ הַמָוֶת – der Todesengel – gemeint, der diejenigen Seelen mitnimmt, deren Zeit auf Erden zu Ende geht. Raschi scheint also sagen zu wollen, dass die Juden in dieser Nacht, in der die Erstgeborenen Ägyptens getötet werden sollten, in ihren Häusern bleiben sollten, während der Todesengel unterwegs war.
Es gibt allerdings eine Schwierigkeit mit dieser Ansicht. Einige Verse zuvor spricht die Tora davon, dass Haschem die Plage über die ägyptischen Erstgeborenen bringen wird und es heißt dort (12:12): וְעָֽבַרְתִּי בְאֶֽרֶץ־מִצְרַיִם בַּלַּיְלָה הַזֶּה וְהִכֵּיתִי כָל־בְּכוֹר בְּאֶרֶץ מִצְרַיִם – Ich ziehe durchs Land Ägypten in dieser Nacht und erschlage jeden Erstgeborenen im Lande Ägypten. Und wie jeder weiß, der schon einmal der Haggada am Sederabend gefolgt ist, heißt es dort dementsprechend, dass G-tt selbst diese zehnte Plage ausgeführt hat: אֲנִי וְלֹא מַלְאָךְ, … אֲנִי וְלֹא שָרָף …. אֲנִי וְלֹא הַשָלִיחַ, אֲנִי ה‘. אֲנִי הוּא וְלֹא אַחֵר. – Ich, und nicht ein Engel, … Ich, und nicht ein Seraph …. Ich, und kein Bote, Ich bin Haschem, Ich und kein anderer. Es scheint im Widerspruch zu Raschi zu sein, dass der Zerstörer in dieser Nacht unterwegs war. Und außerdem, warum mussten sich die Juden in ihren Häusern aufhalten, wenn die Plage von Haschem selbst ausgeführt wurde? G-tt kann doch sicher zwischen den Guten und den Bösen unterscheiden!
Manche Mefarschim (Tora-Kommentatoren) erläutern, dass Raschi nicht die Rolle des Todesengels bei der zehnten Plage gemeint, sondern die Tatsache angesprochen hat, dass in jener Nacht, wie in den meisten anderen Nächten, für einige Menschen das letzte Stündlein geschlagen hatte, deren Seelen der Todesengel mitnehmen würde. Haschem wollte jedoch klar in jener Nacht darstellen, wer rechtschaffen (die Juden) und wer böse (die Ägypter) war. Daher starb in der Pessach-Nacht kein Jude, auch wenn seine Zeit eigentlich abgelaufen war. Sie blieben zu Hause und waren so geschützt.
Rav Mosche Feinstein (1895-1986) erklärt hingegen, dass die Juden nicht wegen der draußen bestehenden Gefahr in ihren Häusern geblieben waren. Vielmehr wollte Haschem demonstrieren, dass sie nicht auf Befehl des Pharao Ägypten verlassen würden, sondern einzig dem Befehl Haschems folgten. Natürlich hatte Pharao beim Ausbrechen der Plage in der Nacht den unmittelbaren Aufbruch befohlen, aber die jüdischen Menschen gehorchten nur den Befehlen Haschems und warteten in ihren Häusern bis zum Morgen, denn das war der von Haschem angeordnete Zeitpunkt, an dem der Auszug aus Ägypten begann. Rav Feinstein sagt, dass die Juden keine Sekunde dieser Nacht in Gefahr waren und der Todesengel gar nicht in Ägypten seine Arbeit getan hatte. Es war Haschem allein, wie die Haggada betont, der die Plage über die Erstgeborenen Ägyptens gebracht hatte.
Frage der Woche: Wo finden wir, dass selbst Mosche während der ganzen Nacht der zehnten Plage im Haus blieb? Antwort, s.G.w., im nächsten Daf.
Antwort auf die zuletzt gestellte Frage: Wann verhärtete Haschem Pharaos Herz? Raschi sagt uns, dass sich Pharao nach jeder der ersten fünf Plagen sein Herz verhärtete; danach verhärtete ihm Haschem das Herz.
Biographie der Woche
Rabbi Jechiel Jakow Weinberg
–
Seride Esch
Jahrzeit 4. Schwat
Rabbiner Weinberg wurde 1884 im polnischen Ciechanowiec geboren, das damals zum zaristischen Russland gehörte. Er lernte in den Jeschiwot Mir und Slabodka und stach durch seine außerordentliche Intelligenz hervor. Mit 17 Jahren wurde er zum Rabbiner ordiniert und nahm 1906 eine Rabbinerposition im litauischen Pilvishki an.
Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges im August 1914 befand er sich aus gesundheitlichen Gründen in Berlin und entschied sich, dort zu bleiben. Er studierte an der Universität Gießen und promovierte dort 1923. Das Hildesheimer Rabbinerseminar in Berlin offerierte Rabbiner Weinberg 1924 eine Stelle als Dozent und bald wurde er zum Leiter des Seminars – eine Position, die er bis zu dessen Schließung durch die Nazis im Jahre 1938 innehatte.
Rav Weinberg überlebte den Zweiten Weltkrieg im Warschauer Ghetto und in einem Internierungslager. Als gebrochener und sehr kranker Mann wurde er im Sommer 1946 von einem früheren Schüler ins schweizerische Montreux gebracht, wo er zurückgezogen lebte.
Rav Weinberg starb 1966 in Montreux.
Unter dem Titel Seride Esch – Überreste des Feuers – wurden noch zu Rav Weinbergs Lebzeiten seine Responsen zu verschiedensten halachischen Fragen veröffentlicht, die nichts an ihrer Aktualität eingebüßt haben.
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