Paraschat Ki Tissa
Paraschat Para
13./14. März 2020
18. Adar 5780
Hier können Sie das Daf als PDF herunterladen: Daf Ki Sisa 5780
Schmot 30:11 – 34:35
Maftir Bamidbar 19:1 – 22
Haftara: Jecheskel 36:16 – 38
Die Parascha in Kürze
• Alle jüdischen Männer sollen einen halben Schekel für den Mischkan spenden
• Betzalel wird als kunstfertiger Handwerker zur Ausführung der Geräte des Mischkans von G-tt bestimmt
• Die Mitzwa, Schabbat zu halten wird noch einmal angeführt
• Das jüdische Volk irrt in Mosches Rückkehrdatum und verlangt einen neuen Führer; daraufhin wird das goldene Kalb errichtet und von einigen angebetet
• Mosche kehrt mit den Gesetzestafeln vom Berg Sinai zurück, sieht den Tanz um das goldene Kalb und zerbricht die Tafeln im Zorn
• Mosche richtet die Schuldigen mithilfe des Stammes Levi und 3000 Männer fallen
• Mosche bittet G-tt, dem Volk zu verzeihen, bleibt noch einmal 40 Tage auf dem Berg Sinai und kehrt mit den zweiten Gesetzestafeln zurück
Konzept der Woche
הֶעָשִׁיר לֹא־יַרְבֶּה וְהַדַּל לֹא יַמְעִיט מִמַּחֲצִית הַשָּׁקֶל לָתֵת אֶת־תְּרוּמַת ה‘ לְכַפֵּר עַל־נַפְשֹׁתֵיכֶם:
„Der Reiche soll nicht mehr und der Arme nicht weniger als die Hälfte eines Schekels spenden, damit die G-tteshebe zu geben, um für eure Seelen Sühne zu vollziehen.“ (30:15)
Zu Beginn dieser Parascha geht es um die Volkszählung, bei der jeder erwachsene Mann, der älter als 20 Jahre war, einen halben Schekel (מַחֲצִית הַשָּׁקֶל) für den Mischkan (Stiftszelt) spendete. Die direkte Zählung des jüdischen Volkes erlaubt die Tora nicht.
Sogleich erhebt sich die Frage, warum genau ein halber Schekel gegeben wurde und nicht ein ganzer Schekel. Mosche Rabbenu hatte Schwierigkeiten, so zitiert Raschi den Midrasch, sich vorzustellen, wie ein Machatzit HaSchekel aussieht. „Der Heilige, gelobt sei Er“, erklärt der Midrasch, „nahm unter Seinem Thron eine Münze aus Feuer hervor, zeigte sie Mosche und sagte: ‚Gleich dieser sollen sie geben!‘“ Tosafos (Rabbiner des 12./13. Jh. in Frankreich und Deutschland) erklären zum Talmudtraktat Chullin 42a, dass es nicht in erster Linie Mosches Vorstellungskraft war, wie der Machatzit HaSchekel aussieht, sondern wie ein weltliches Mittel wie ein Geldstück für die Sünden eines Menschen sühnen kann, die ja Ausdruck eines spirituellen Mangels in der Seele des Menschen sind. Der Midrasch erklärt, dass sich die Seelen der Menschen unter dem g-ttlichen Thron befinden und Haschem von diesem Ort den feurigen Halbschekel herausgenommen hat. Damit sollte ausgedrückt werden, dass ehrlich verdientes Geld eines Menschen nicht nur ein anfassbares Gut ist, sondern als Mittel genutzt werden kann, um eine höhere spirituelle Ebene zu erreichen und seine Sünden zu sühnen und seine Seele auf den richtigen Pfad zu bringen.
Den Machatzit HaSchekel musste jeder Mann geben und die Tora betont, dass ein reicher Mann nicht mehr und ein armer Mann nicht weniger geben durfte. Alle waren gleichgestellt bei dieser Mitzwa und der Gesamtbetrag wurde alljährlich im Monat Adar angefordert und zur Finanzierung der Tamid-Opfer verwendet, die an jedem Tag als erstes bei Sonnenaufgang und als letztes kurz vor Sonnenuntergang geopfert wurden. Der Gemeinschaftsgedanke kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass der halbe Schekel dem Spender klarmacht, dass er selbst nicht komplett ist, sondern dass er die Gemeinschaft braucht, um zum Ganzen zu werden. Gleichzeitig braucht die Gemeinschaft auch jeden Einzelnen, um vollständig zu sein.
Wenn ein Jude die Gemeinschaft als seine andere Hälfte betrachtet, wird Einheit erreicht. אַחְדוּת – Einheit – im jüdischen Volk sollte immer unser Ziel sein.
Vor ein paar Tagen haben wir Purim gefeiert, das an den meisten Orten der jüdischen Welt in diesem Jahr ganz anders als sonst ablief. Die rapide Verbreitung des Coronavirus und die hohe Ansteckungsgefahr haben dazu geführt, dass viele jüdische Menschen, vor allem in Israel, in Quarantäne sind. So war es ihnen unmöglich, die Mitzwa des Hörens der Megilla-Lesung in einem Minjan zu erfüllen. Aber wir alle konnten am Tag nach Purim Bilder in den Medien sehen und lesen, dass vielerorts die Megilla zu den in Quarantäne Befindlichen kam. Fromme jüdische Männer, die die Expertise haben, den Text der Megilla aus einer Pergamentrolle (ohne Vokalisation) vorlesen zu können, gingen zu einzelnen Menschen und lasen vor deren Haus auf der Straße oder im Hausflur, so dass der Hörende am Fenster oder der Tür sitzend die Mitzwa erfüllen konnte. Freunde und Bekannte hinterließen Mischloach Manot, eine weitere Mitzwa von Purim, vor der Tür der isolierten Menschen.
Momentan versuchen wir durch „Social Distancing“ – Abstand halten – die Infektionskette des Covid-19 zu unterbrechen. Der übliche Umgang miteinander pausiert auf vielen Ebenen. Lassen Sie uns der Aufforderung vieler Rabbiner nachgehen, in diesen Tagen ein oder zwei Kapitel Tehillim (Psalmen) unseren Gebeten hinzuzufügen und dafür beten, dass die Kranken bald gesund werden und wir unser Leben sowie unsere jüdischen Feiertage bald wieder auf traditionelle Weise leben werden.
Frage der Woche: Mussten Kohanim und Levi’im auch den Machatzit HaSchekel geben? Antwort, s.G.w., im nächsten Daf.
Antwort auf die zuletzt gestellte Frage: Warum wurde Mosche befohlen, das Öl für die Menora zu nehmen, wenn er sie doch nicht anzünden würde? Rav Mosche Alschich (1508-1593) erklärt, dass Mosche das Öl dadurch mit der nötigen Heiligkeit versah.
Biographie der Woche
Rabbiner Schimon Schwab
Jahrzeit 14. Adar
Rabbiner Schimon Schwab wurde 1908 in Frankfurt am Main geboren. Sein Großvater war dort einer der ersten Schüler Rabbiner Samson Raphael Hirschs (1808-1888) und Rav Schwab wuchs mit dessen Philosophie von „Tora im Derech Eretz“ auf. Nach dem Besuch der Hirsch-Realschule und der Frankfurter Jeschiwa entschloss er sich unter dem Eindruck der Talmud-Schiurim von Rav Joseph Schlomo Kahaneman, des Ponevezher Ravs (1886-1969), ab 1926 an der Telsche Jeschiwa in Litauen zu lernen. Nach einem Intermezzo im Sommer 1929 als Lehrer an der Etz Chaim-Jeschiwa im schweizerischen Montreux setzte er 1929 auf Anraten von Rav Chaim Ozer Grodzinski (1863-1940) seine Studien an der Mirrer Jeschiwa fort. 1931 wurde er dort zum Rabbiner ordiniert und nahm danach die Stelle des Rabbiners von Ichenhausen/Bayern an. 1936 übersiedelte er mit seiner Familie in das amerikanische Baltimore, wohin man ihn als Rabbiner berufen hatte. Er wurde dort zum Mitbegründer einer religiösen Mädchenschule und war auch in der Agudath Israel of America sehr aktiv tätig.
1958 wurde Rav Schwab Assistenzrabbiner von Rav Joseph Breuer (1882-1980) in New York, dessen Gemeinde K’hal Adath Jeshurun die Fortsetzung der Frankfurter Austrittsgemeinde seines Großvaters Rabbiner Hirsch darstellte. Von 1980 bis zu seinem Tode leitete Rav Schwab diese Gemeinde. Zeit seines Lebens stellte er die Symbiose von „Tora im Derech Eretz“ und osteuropäischer Toragelehrsamkeit dar. Gleichzeitig war er immer ein Verfechter der Traditionen deutsch-jüdischer Orthodoxie. Rabbiner Schwab starb 1995 in New York.
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