Im April 2018 wurde das 15-jährige Bestehen der ORD, der Orthodoxen Rbbinerkonferenz Deutschlands, gefeiert.
Die elf orthodoxen Rabbonim, die sich damals in Frankfurt am Main versammelt haben, haben erkannt, dass die Zeit gekommen ist, eine Organisation ins Leben zu rufen, die den wachsenden spirituellen Bedürfnissen der Juden in Deutschland entsprechen kann.
Auch wenn das langsam wachsende jüdische Leben in mehreren Städten auch größeren Bedarf nach rabbinischer Begleitung erwarten ließ, so konnten vor 15 Jahren wohl selbst die Gründungsmitglieder der ORD sich noch nicht vorstellen, welchen Erfolg ihre Organisation schon in wenigen Jahren haben würde.
Es ist schwer zu glauben, aber in nur 15 Jahren hat sich die Anzahl der ORD-Mitglieder fast verfünffacht und zurzeit hat die orthodoxe Konferenz schon fast 54 Rabbonim als Vollmitglieder!
Da ein Vollmitglied der ORD nur ein Gemeinde- bzw. Landesrabbiner sein darf, bedeutet das auch, dass es fast 50 jüdische Gemeinden in Deutschland gibt, die sich für einen orthodoxen Rabbiner entschieden haben.
In einem Land, das als Geburtsort des liberalen Judentums bekannt ist und heutzutage sogar als vorwiegend säkular gilt, ist eine solche Entwicklung mehr als beeindruckend.
Was sind also die Tätigkeitsfelder der orthodoxen Rabbinerkonferenz, wer sind ihre Partner und wie trägt sie zur Entfaltung des jüdischen Lebens in Deutschland bei?
Beit Din
Einer der wichtigsten Institutionen der ORD ist zweifellos das jüdische Gericht „Beit Din“. Seit der Matan Tora (Thora-Gabe) am Berg Sinai war Beit Din die wichtigste rabbinische Organisation, wie es im 2. Buch Moses (18:13) beschrieben wird: „Am nächsten Morgen setzte sich Mosche, das Volk zu richten; und das Volk stand um Mosche her bis an den Abend.“ Dazu sagen unsere Weisen: „Was bedeutet‚am nächsten Morgen‘? – am nächsten Tag nach Thora-Empfang!“ Ohne einen Beit Din kann keine Gemeinde normal funktionieren, denn das Gericht ist für viele Bereiche des jüdischen Lebens zuständig.
Heutzutage ist der Beit Din nicht mehr für alles zuständig und kann zum Beispiel die Sünder nicht richten und auch bei finanziellen Streitigkeiten haben jüdische Richter nicht immer die nötige Macht. Jedoch sind manche Aufgaben des Beit Din auch in unserer Zeit sehr wichtig. So zum Beispiel verlangt die Thora, dass wenn der Ehemann sich von seiner Frau trennen möchte, er ihr unbedingt einen Scheidungsbrief „Get“ geben soll. Dieses Verfahren ist enorm wichtig, und solange der Mann den Get nicht gegeben hat, darf nach dem jüdischen Gesetz weder der Mann noch seine Ex-Frau wieder heiraten.
Und da die halachisch korrekte Scheidung eine enorm wichtige Angelegenheit ist, dürfen nur die erfahrenen Richter (Dayanim) diesen Prozess durchführen.
Dank der guten Zusammenarbeit mit dem israelischen Rabbanut und der Beteiligung Israelischer Dayanim bei den Sitzungen des ORD-Beit Din, sind solche Scheidungen auch in Israel beim Rabbanut anerkannt.
Eine andere gefragte Funktion des Beit Din ist die Durchführung von Übertritten ins Judentum (Gijurim). Es ist erstaunlich, dass es – bei immer bedrohlich werdender Situation für Juden in Deutschland – ziemlich viele Nichtjuden gibt, die zum Judentum übertreten möchten.
Dabei ist der Übertritt bei der ORD kein Selbstläufer: es dauert mehrere Jahre, die Kandidaten müssen viel lernen, Männer müssen sich der Beschneidung unterziehen und werden erst dann zum Gijur-Abschluss bei einer Beit-Din-Sitzung zugelassen, wenn der begleitende Rabbiner absolut überzeigt ist, dass der Kandidat bzw. die Kandidatin ernste Absichten hat und die thoratreue Lebensweise sicher halten wird.
Auch bei den Übertritten hilft die Anwesenheit der Dayanim des israelischen Rabbanuts für die Anerkennung der Konvertiten in Israel und in der ganzen Welt.
Es ist bemerkenswert, dass die Dienste des ORD-Beit Din so gefragt sind, dass die Dayanim oft ganze Wochen in Deutschland verbringen müssen und dabei den ganzen Tag Sitzungen abhalten, um alle Anliegen zu erledigen.
Deutsche
Koscherliste
Ein weiteres wichtiges Thema für die deutschen Rabbiner ist die Hilfe bei der Einhaltung der jüdischen Speisegesetze (Kaschrut). Kaschrut ist anspruchsvoll und nicht leicht zu befolgen. Wenn in den großen Gemeinden noch mindestens ein koscheres Geschäft vorhanden ist, ist es in kleineren Gemeinden schon viel schwieriger die koscheren Lebensmittel zu beschaffen. Deshalb wurde schon vor mehreren Jahren die Koscherliste mit dem Namen „Rabbi, ist das koscher?“ herausgegeben, wo die Lebensmittel zusammengefasst wurden, die in deutschen Supermärkten gekauft werden dürfen. So eine Liste muss nicht nur erstellt werden, sondern auch ständig aktualisiert werden. Denn die Lebensmittel, die gestern noch unbedenklich hergestellt wurden, können schon morgen anders produziert werden und nicht mehr auch Koscher-Standard entsprechen. Seit der 1. Ausgabe gab es schon mehrere überarbeitete Ausgaben.
Die Erstellung einer Kaschrut-Liste ist eine extrem anspruchsvolle Aufgabe, weil viele Informationen bearbeitet und geprüft werden müssen. Deshalb haben bei der letzten Ausgabe im Jahr 2017 gleich drei Kaschrut-Experten der ORD ehrenamtlich zusammengearbeitet, um eine umfassende und vertrauenswürdige Liste herauszugeben.
Seminare für die Rabbiner
Auch wenn alle Rabbiner der ORD sich sehr gut mit der Halacha (jüdischem Gesetzt) auskennen, so gibt es immer wieder neue Herausforderungen im modernen Leben, für die man gut vorbereitet werden muss. Deshalb veranstaltet die ORD zweimal im Jahr Seminare in einer der Gemeinden, wo die Rabbiner fortgebildet werden. Dafür werden weltweit bekannte und geschätzte Rabbonim als Redner eingeladen, deren Wissen und Erfahrung enorm hilfreich und wichtig ist.
Solche Seminare sind für die ORD-Rabbiner sehr nützlich, weil man aktuelle Probleme und Themen untereinander diskutieren kann, die nur in jüdischen Gemeinden in Deutschland relevant sind, die Gastrednern aus anderen Länder jedoch weitgehend unbekannt sind.
Alle zwei Jahre wird bei so einem Seminar auch die Leitung der Rabbinerkonferenz, die aus drei Vorstandmitgliedern und vier Beiratsmitgliedern besteht, gewählt.
Engagement für alle Juden in Deutschland
Auch wenn die Rabbiner in ihren Gemeinden sehr beschäftigt sind, versuchen sie trotzdem zum Verbessern des jüdischen Lebens in Deutschland beizutragen.
Eins der Probleme der Juden in diesem Land ist die kleine Anzahl der religiösen Bücher in deutscher Sprache. In letzter Zeit wurden unter Schirmherrschaft der ORD mehrere Siddurim (Gebetsbücher) sowohl für die Erwachsenen als auch für die Kinder in Deutsch herausgegeben.
Die sozialen Netzwerke erlauben es heutzutage viele Menschen zu erreichen. So wurde vor einigen Jahren eine Facebook-Gruppe „Frag den Rabbiner“ von Jewig e.V. ins Leben gerufen, um den Menschen die Möglichkeit zu geben, die Rabbiner online zu fragen. Das ist vor allem für diejenigen Juden hilfreich, die in sehr kleinen Gemeinden leben, wo es keine eigenen Gemeinderabbiner gibt. Aber auch viele Nichtjuden haben Interesse am Judentum und fragen gern. Mehrere ORD-Rabbiner engagieren sich in dieser Gruppe und geben oft interessante und informative Antworten.
Die ORD ist auch online präsent: jede Woche pünktlich zum Schabbat wird ein inspirierendes Dwar Tora zum Wochenabschnitt online gestellt, regelmäßig erscheint auch das „ORD Magazin“.
Starke Freunde
Jedoch gibt es in Deutschland noch viel zu tun und ohne starke und verlässliche Partner wäre der Erfolg der ORD unmöglich. An der Seite der orthodoxen Rabbiner stehen: Der Zentralrat der Juden in Deutschland, die Zentralwohlfahrtstelle der Juden in Deutschland, das Rabbinerseminar in Berlin, der Bund der traditionellen Juden in Deutschland (BtJ), die World Zionist Organisation (WZO), die Matanel Foundation (Luxemburg) und viele andere.
Trotz aller Widrigkeiten gibt es immer mehr Juden auch in Deutschland, die ihre Wurzeln und ihre Traditionen neu entdecken und die Religion ihrer Eltern ausleben möchten. Manche von ihnen möchten die Beschneidung nachholen, manche Paare möchte eine richtige jüdische Hochzeit unter der Hupa feiern, viele wünschen sich authentische jüdische Bildung für ihre Kinder.
Nach 15 Jahren ihres Bestehung ist die ORD für diese Aufgaben gut gerüstet und ist heutzutage eine wichtige Stütze des jüdischen Lebens in Deutschland.
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Am 25 Nissan 5763 (27.April 2003) wurde in Frankfurt a.M. die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD) gegründet.
Das Ziel dieser Rabbinerkonferenz ist es, sich um das jüdische Leben und den Erhalt und die Weiterentwicklung von jüdischer Tradition und Halacha in Deutschland zu kümmern, wobei vor allem die Zuwanderung der Mitglieder aus den ehemaligen GUS-Staaten eine besondere Aufmerksamkeit erfahren soll.
Des weiteren werden gerade die damit verbundenen aktuellen deutschlandspezifischen Probleme wie Zugehörigkeit zum Judentum, Kidduschin/Eheschließung, Brit Mila und Scheidung mit eigenen Kommissionen, denen die Rabbiner der verschiedenen Gemeinden angehören, behandelt.
Bei der Gründung hatte die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland 11 Mitglieder: Rabbiner Y. Ehrenberg (Berlin), Rabbiner M. Halevi Klein (Frankfurt/M), Rabbiner N. Teitelbaum (Köln) , Rabbiner S. Appel (Straubing) , Rabbiner Prof. Dr. phil. Benyamin Z. Barsilai sel.A. (Bremen), Rabbiner Dov-Levy Barsilai (Hamburg) , Rabbiner J. Ebert (Würzburg) , Rabbiner D. Goldberg (Hof/Saale) ,Rabbiner T. Hod (Mannheim) ,Rabbiner C. Levit (Saarbrücken), Rabbiner D. Soussan (Freiburg und Sachsen-Anhalt) , die auch gleichzeitig die Gründungsmitglieder sind.
Heute zählt die ORD bereits 18 Mitglieder, wobei zu den oben genannten noch folgende weitere Rabbiner Mitglieder wurden: Rabbiner A. Appel (Dortmund) , Rabbiner D. Morag (Regensburg) , Rabbiner M. Flomenmann (Magdeburg) , Rabbiner A.Lotozki (Lübeck), Rabbiner J.Ch. Soussan (Düsseldorf) , Rabbiner J. Engelmaier (Aachen) .
Die ORD würde sich freuen, weitere Mitglieder aufnehmen zu dürfen, welche die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft erfüllen. Der Gründungsvorstand bestand aus: Rabbiner Y. Ehrenberg – Vorsitzender Rabbiner M. Halevi Klein – Stellvertreter Rabbiner N. Teitelbaum – Stellvertreter und wurde im Februar 2006 in seinem Amt bestätigt.
Am 30. Oktober 2008 wurde ein neuer Vorstand, bestehend aus Rabbiner Y. Ehrenberg, Rabbiner A. Apel und Rabbiner J. Engelmayer, gewählt. Desweiteren wurden Rabbiner Ebert und Rabbiner Julian Chaim Soussan zu Mitgliedern des Beirats gewählt.
Am 15. Dezember 2010 wurde ein neuer Vorstand bestehend aus Rabbiner Avichai Apel, Dortmund, Rabbiner Jaron Engelmayer, Köln, und Rabbiner Jakob Ebert, Würzburg gewählt. In den Vorstandsbeirat wurden Rabbiner Zeev Rubins, Karlsruhe und erneut Rabbiner Julien-Chaim Soussan, Düsseldorf, gewählt.